Blasen: Erkenntnisse der Wissenschaft und wie man Blasen vermeidet


Für diesen Artikel bin ich viele wissenschaftliche Arbeiten (“Paper”) durchgegangen und habe mir angeschaut, was der Stand der Wissenschaft zum Thema Blasen ist. Dieser Artikel ist also eine Art Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, weswegen es ein paar Dinge zu beachten gibt:

  1. Alle benutzten Quellen sind unten angegeben.
  2. Die Paper wurden nicht zufällig irgendwo hergenommen, sondern sind valide und häufig zitierte Werke angesehener Wissenschaftler.
  3. Die genannten Paper referenzieren selbst weitere Paper, die ich hier nicht aufgenommen habe. Zu jedem Aspekt in diesem Artikel gibt es also noch viel mehr mögliche Quellen un wissenschaftliche Ergebnisse.

Inhalt

In Kürze

Biologiestunde: Was sind Blasen?

Blasen sind allgemein Hohlräume zwischen Hautschichten, die sich mit Flüssigkeit gefüllt haben [2]. In diesem Artikel geht es aber nur um Reibungsblasen, also nicht z.B. um Brandblasen.

Die Haut besteht aus verschiedenen Schichten, Blasen entstehen aber nur in der stratum spinosum Schicht.

Die Struktur der Epidermis. Blasen entstehen in der stratum spinosum Schicht. © Wikimedia BruceBlaus (CC-BY 3.0)
Die Struktur der Epidermis. Blasen entstehen in der stratum spinosum Schicht. © Wikimedia BruceBlaus (CC-BY 3.0)

Was verursacht Blasen?

Scherkräfte [2][3][4][8].

So, jetzt weißt du Bescheid. Gehen wir aber mal ins Detail.

Was sind Scherkräfte?

Lege deine Hand fest auf den Tisch. Da Haut weich und flexibel ist, kannst du die Hand etwas hin und her bewegen, ohne sie zu verschieben. Das zieht natürlich ein bisschen an der Haut, sie wird durch Scherkräfte belastet.

Drückst du deine Hand so weit zu einer Seite, dass sie tatsächlich anfängt zu rutschen, merkst du, wie du weniger Kraft brauchst. Das höchste Risiko für Blasen hat man also nicht bei Reibung (auch wenn die Blasen so heißen), sondern bei dem Punkt kurz bevor Reibung auftritt.

Scherkräfte sorgen auf Dauer dafür, dass sich Hautschichten voneinander trennen, wodurch sich eine Blase bildet. (CC-BY 3.0)
Scherkräfte sorgen auf Dauer dafür, dass sich Hautschichten voneinander trennen, wodurch sich eine Blase bildet. (CC-BY 3.0)

Das Risiko Blasen zu bekommen steigt, je stärker die Scherkräfte sind, aber nur, bis man anfängt zu rutschen. Rutscht man im Schuh, ist das also schlecht, aber nicht die schlechteste Situation.

Was erhöht Scherkräfte?

Hauptsächlich Feuchtigkeit. Schwitzt man oder wird der Fuß anderweitig nass, erhöht sich die maximal erreichbare Scherkraft, bevor der Fuß rutscht (rot markierter Rutsch-Punkt verschiebt sich weiter nach rechts oben).

Scherkräfte sind in der Haut am höchsten kurz bevor am anfängt zu rutschen. (CC-BY 3.0)
Scherkräfte sind in der Haut am höchsten kurz bevor am anfängt zu rutschen. (CC-BY 3.0)

Andere Faktoren sind z.B. die Wahl des Schuhwerks. Und das bringt uns direkt zu den ersten Strategien um Blasen zu vermeiden: Häufig benutzte, trockene, gut eingelaufene, bequeme Schuhe. Jede Druckstelle bedeutet höhere Scherkräfte oder Reibung, was beides schlecht ist. Hat man keinerlei Beschwerden, hat man eine minimale Belastung der Haut.

Mythen zur Entstehung von Blasen

“Blasen werden durch Reibung/Wärme/Feuchtigkeit/“hot spots”/Druck/… verursacht.”

Nicht wirklich.
Scherkräfte sind verantwortlich (s.o.), welche aber bei Reibung vorhanden sind und durch die anderen Effekte verstärkt werden. Gerade Feuchtigkeit (häufig ja durch Wärme verursacht) und Druck sind begünstigende Faktoren.

Risikofaktoren

Es gibt einige Dinge, die man tun kann, um Blasen zu vermeiden, aber es gibt auch einige Risikofaktoren, die sich nicht beeinflussen lassen.

Nicht beeinflussbare Risikofaktoren

Menschen mit dunkler Hautfarbe haben ein signifikant verringertes Risiko für Blasen. Bei einer Studie mit 339 Teilnehmern [3] absolvierten die Teilnehmer einen 21 km Fußmarsch und wurden anschließend untersucht. Teilnehmer mit dunkler Haut hatten die wenigsten Blasen, Menschen mit asiatischem Hintergrund die meisten. Dies lässt sich auf eine geringere Verformbarkeit dunkler Haut zurückführen, was in weniger Verformung und ein geringeres Risiko für Blasen resultiert. Viele weitere Studien kamen zum selben Ergebnis, was die Hautfarbe angeht [4][5].

Das Alter ist, wenn auch statistisch eher wenig belastbar, ebenfalls ein Risikofaktor, in dem Fall allerdings für jüngere [4]. Zum einen könnte das ebenfalls an einer elastischeren Haut liegen, häufig sind jüngere Studienteilnehmer aber auch unerfahrener.

Das Geschlecht zeigte sich in einigen Studien [3][6][8] ebenfalls als Risikofaktor. Genauer gesagt zeigten Frauen leicht erhöhte Aufkommen von Blasen. Mögliche Grüne könnten eine erhöhte Schrittanzahl, weichere Haut und auch ein unpassendes Rucksackdesign für Frauen sein.

Persönliche Faktoren

Ich habe oben viel von Kräften in der Haut gesprochen, diese steigen natürlich mit dem Gesamtgewicht, welches auf die Haut lastet.

Das Gewicht vom Gepäck lässt sich natürlich leicht beeinflussen. Neben dem Gesamtgewicht (bei der obigen 21-km-Studie z.B. 33 kg), spielt auch die Verteilung des Gepäcks eine Rolle. Ist das Gewicht z.B. vorne und hinten gleichmäßig verteilt, reduziert das Scherkräfte und das Risiko für Blasen [7].

Bonus-Wissen:
Jedes zusätzliche Kilogramm Gewicht erhöht den Energieverbrauch um ca. 4 % [8]. Ein kilo an den Füßen (z.B. durch schwere Stiefel) sogar um bis zu 10%!

Das Körpergewicht ist aber ebenfalls ein Risikofaktor [4], wenn auch nicht alle Studien einen Zusammenhang feststellen konnten [5]. Das Risiko geht übrigens in beide Richtungen: Menschen mit hohem BMI, aber insbesondere Menschen mit niedrigem BMI haben ein erhöhtes Risiko für Blasen.

Die generelle Anfälligkeit für Blasen ist ebenfalls ein interessanter Faktor [5][10]. Mit anderen Worten: Hat man in der Vergangenheit oft Blasen bekommen, wird das auch in der Zukunft so sein. Das sagt natürlich nichts über die Gründe aus, vielleicht waren einfach falsche Socken in der Vergangenheit der Grund. Andersrum gilt das aber auch: Bekommst du nie Blasen und du änderst nichts, dann wirst du auch zukünftig wahrscheinlich keine Blasen bekommen. Neue Schuhe oder andere Socken sollten dann mit Bedacht gewählt werden.

Ein weiterer Faktor sind vergangene Krankheiten (in den letzten 12 Monaten), die im Bereich der Beine lagen [3][5][10]. Es wurde leider nicht erfasst um welche Krankheiten es ging, somit lässt sich nicht aussagen weshalb genau dies zu mehr Blasen führt.

Auch Rauchen führt zu einem höheren Risiko von Blasen [3][4] – neben den sonstigen bekannten Nebenwirkungen. Bei Alkohol zeigte sich jedoch kein statistisch signifikanter Effekt.

Kleidung

Das Schuhwerk ist ebenfalls ein nennenswerter Faktor [5][6]. Besonders die Häufigkeit, mit der man die Wanderschuhe trägt hat Einfluss auf die Häufigkeit von Blasen: Je häufiger und länger man die Schuhe trägt, desto seltener bekommt man Blasen. Schuh und Fuß passen sich in gewisser Weise aneinander an.

Gerade auch Socken haben einen großen Einfluss, insbesondere Baumwolle hat negativen Einfluss. Wie ein gutes Socken-System aussieht, ist unten beschrieben.

Sonstiges

Die Länge der Tour ist selbstverständlich ein Risikofaktor [8]. Jeden Tag besteht die Change eine Blase zu entwickeln, da steigt die Gesamtwahrscheinlichkeit irgendwann während der Tour eine Blase zu bekommen natürlich mit der Dauer an. Allerdings: Hat man generell keine Probleme mit Blasen, bleibt diese Wahrscheinlichkeit gering.

Wie oben schon erwähnt, erhöht Feuchtigkeit die Scherkraft, die auf die Haut einwirkt. Daher sollte man darauf achten trockene Füße zu haben.

Blasen vermeiden

Risikofaktoren minimieren

Sollte klar sein: Die oben beschriebenen Risikofaktoren sollten minimiert werden, sofern man darauf Einfluss hat. Wie man das am besten anstellt, ist oftmals sehr individuell und ich gebe hier nur allgemeine Tipps.

Schuhe

Gute und vor allem passende & eingelaufene Schuhe sind wichtige Faktoren zur Vermeidung von Blasen [2][4][5][10]. Gerade das regelmäßige Tragen der Schuhe ist ein wichtiger Aspekt, da sich Schuh und Fuß gegenseitig anpassen (nicht nur der Schuhe wird eingelaufen). Durch häufige Belastung passt sich insbesondere die Haut daran an, wird gestärkt und es bilden sich seltener Blasen.

Ein gutes Socken-System finden

Vielversprechend ist das Finden eines geeigneten Socken-Systems. Dabei gibt es ein paar zur Auswahl, wie in Studien untersucht wurden.

Kunstfasersocken

Auch wenn Kunstfasern im Outdoor-Bereich nicht unbedingt gerne gesehen werden: Acryl- und Polypropylen-Fasern (aber auch Polyester und Nylon) eignen sich gut darin Blasen zu vermeiden [2][8][9]. Baumwolle sollte vermieden werden!

Die Theorie bei den Kunstfasern: Sie sind hydrophob, weisen Feuchtigkeit also ab, welche vom Fuß mit dem Temperaturgefälle nach außen geleitet wird (im Englischen wicking genannt). Somit bleibt der Fuß trocken, sofern die Feuchtigkeit sich nicht im Schuh sammelt, sondern irgendwo hin kann.

Hydrophobe Kunstfasern erwiesen sich in vielen Studien als sehr erfolgreich.

Flauschige Socken

Dicke, flauschige Socken können die einwirkenden Kräfte auf die Haut etwas absorbieren (die Scherkräfte belasten dann die Fasern der Socke) und verhindern so Blasen [1][2][9]. Einige Studien verwendeten aber flauschige (Strick-)Socken als Socke über einer anderen Socke (siehe “Zwei-Socken-Strategie” unten). Ob der Effekt also allein durch die dickere Socke kann, ist fraglich.

Zwei-Socken-Strategie

Viele Studien, die Socken-Systeme untersucht haben, haben oft auch das Tragen von zwei Socken übereinander analysiert [1][8][9][10]. Die Idee ist einfach: Die Socken reiben aneinander und geben so einen Teil der Scherkräfte ab und die Haut wird entlastet.

Kunstfasersocken innen und darüber Mischfasersocken hat sich in Studien aus erfolgreich herausgestellt.

Hilfsmittel

Häufig wird Babypuder (Talkum) empfohlen, da es Feuchtigkeit aufnimmt und so Reibung verringern soll. Ein positiver Effekt lässt sich jedoch nicht eindeutig nachweisen [2][10] und Reibung ist teilweise sogar erhöht.

Auch gilt Deo (Antitranspirant) als Hilfsmittel [2][8][10][11], was aber ebenfalls nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Eine Studie [8] zeigte Erfolg, nachdem die Teilnehmer drei Nächte vor der Aktivität die kompletten Füße behandelt haben. Es führte jedoch auch dazu, dass die Hälfte der behandelten Füße Hautirritationen aufwiesen!

Auch Einlagen sind beliebte Hilfsmittel, die tatsächlich erfolgversprechend sind [2]. Regelmäßig Socken wechseln ist auch beliebt, zeigte aber keine großen Erfolge (schaden kanns trotzdem nicht).

Blasen behandeln

Blasen sind Verletzungen und sollten als solche behandelt werden, um Infektionen vorzubeugen. Ziele einer Behandlung sollten also sein: Schlimmeres verhindern, unangenehmes Gefühl reduzieren und Heilung fördern.

Hinweis:
Da Blasen Verletzungen sind, sollten sie also auch unter sauberen (möglichst sterilen) Bedingungen behandelt werden!

Aufstechen, oder nicht?

In allen Fällen: Steril arbeiten, um Infektionen zu vermeiden!

Ist die Haut der Blase intakt, dann ja, man kann und sollte sie aufstechen und entleeren [2]. Tatsächlich zeigt sich, dass gezielt und regelmäßig (alle 8-12 Stunden) entleerte Blasen Schmerzen reduzieren. Zudem dient die Haut als natürlicher Schutz, vor allem weil es darunter sauber ist und bleibt. Die Blase sollte daher sterilisiert und verbunden werden. Ein Aufreißen der Haut sollte unbedingt vermieden werden!

Ist die Haut der Blase aufgerissen oder beschädigt, dann ist es eh zu spät. Die Haut nur entfernen, wenn sie eh schon fast vollständig abgerissen ist! Die Wunde säubern und verbinden, wobei ggf. verbleibende Haut als Schutz erhalten bleiben sollte. Blasenpflaster können benutzt werden, gerade wenn die Haut komplett oder größtenteils abgerissen ist.

Quellen

Diese Quellen habe ich herangezogen. Jedes Paper selbst referenziert diverse weitere mit vielen weiteren Studien und interessanten Informationen.

[1] Worthing, Robert M., Raechel L. Percy, and Jeremy D. Joslin. “Prevention of friction blisters in outdoor pursuits: a systematic review.” Wilderness & Environmental Medicine 28.2 (2017): 139-149. doi

[2] Knapik, Joseph J., et al. “Friction blisters: pathophysiology, prevention and treatment.” Sports Medicine 20 (1995): 136-147. doi

[3] Knapik, Joseph J., Katy Reynolds, and John Barson. “Risk factors for foot blisters during road marching: tobacco use, ethnicity, foot type, previous illness, and other factors.” Military medicine 164.2 (1999): 92-97. doi, PDF

[4] Reynolds, Katy L., et al. “Injuries and risk factors in a 100-mile (161-km) infantry road march.” Preventive medicine 28.2 (1999): 167-173. doi

[5] Patterson, Harlan S., Thomas W. Woolley, and Wayne M. Lednar. “Foot blister risk factors in an ROTC summer camp population.” Military medicine 159.2 (1994): 130-135. doi

[6] Brennan Jr, Fred H., et al. “Blisters on the battlefield: the prevalence of and factors associated with foot friction blisters during Operation Iraqi Freedom I.” Military Medicine 177.2 (2012): 157-162. doi, PDF

[7] Knapik, Joseph J., et al. “Soldier performance and strenuous road marching: influence of load mass and load distribution.” Military medicine 162.1 (1997): 62-67. doi, PDF

[8] Knapik, Joseph J., Katy L. Reynolds, and Everett Harman. “Soldier load carriage: historical, physiological, biomechanical, and medical aspects.” Military medicine 169.1 (2004): 45-56. doi, PDF

[9] Knapik, Joseph J., et al. “Influence of boot-sock systems on frequency and severity of foot blisters.” Military medicine 161.10 (1996): 594-598. doi, PDF

[10] Van Tiggelen, Damien, et al. “Sock systems to prevent foot blisters and the impact on overuse injuries of the knee joint.” Military medicine 174.2 (2009): 183-189. doi, PDF

[11] Reynolds, Katy, et al. “Effects of an antiperspirant with emollients on foot-sweat accumulation and blister formation while walking in the heat.” Journal of the American Academy of Dermatology 33.4 (1995): 626-630. doi

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